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Interview Dr. Piero Dillier

Dr. Piero Dillier, Europa Beauftragter der Federation of International Polo (FIP), im Polo+10 Interview über die Europameisterschaft 2012, die Entwicklung des Polosports in Europa, die aktuellen Aufgaben der FIP und seine eigenen Polopläne für das Jahr 2012.

Was halten Sie als Europa-Beauftragter der FIP von der Absage der Polo Europameisterschaft 2012 aus Zürich? Was hat zu dieser Absage geführt und warum haben alle Verbände erst so spät davon erfahren?
Ich selbst war auch sehr überrascht, dass die Europameisterschaft in Zürich abgesagt wurde. Der Präsident des Polo Park Zürich, Markus Gräff, hatte eindringlich darauf bestanden, die verbindliche Zusage für die EM bereits vor zweieinhalb Jahren zu bekommen – also zeitgleich mit der Vergabe der EM nach Wien 2010 – um Sponsoren zu werben und alle Vorbereitungen zu treffen. Auch um die Europameisterschaft 2010 hatte er sich ja bereits beworben. Im November 2011 kam ein Anruf von Gräff, dass er einige Probleme habe. Daraufhin habe ich ihm potenzielle Sponsoren genannt, die er noch hätte ansprechen können. Am 12. Dezember hat Gräff dann ohne Rücksprache mit der SPA (Swiss Polo Association) oder mit mir die Absage der Europameisterschaft öffentlich gemacht. Als bei der SPA die Info ankam, dass Gräff einen Rückzieher macht, wurde sofort nach einer Schweizer Alternative gesucht. Dafür kam eigentlich nur Genf in Frage. Dort bat man sich Bedenkzeit aus, zudem waren alle Verantwortlichen in Argentinien. Anfang Januar kam die Absage aus Genf, woraufhin die FIP (Federation of International Polo) umgehend alle europäischen Verbände informiert hat. Viel zu spät natürlich. Ich halte das Vorgehen des Polo Park Zürich und seines Präsidenten Markus Gräff für unangemessen. Und auch der Schweizer Polo Verband ist alles andere als erfreut. Dieser Vorgang wird Konsequenzen haben und nicht einfach ad acta gelegt. Eine entsprechende Sitzung zum Thema findet Ende Februar statt. Ich persönlich bin massiv enttäuscht und das habe ich Markus Gräff auch gesagt. Ein solches Turnier zu übernehmen, ist nicht nur ein Privileg und mit Rechten ausgestattet, sondern auch mit gewissen Pflichten allen europäischen Polonationen gegenüber verbunden.
Was erwarten Sie von einer Polo Europameisterschaft in Hannover/Maspe?
Ich bin sehr froh, Hannover/Maspe ist ein großartiger Ort für die Polo Europameisterschaft 2012. Ich habe während der Weltausstellung im Jahr 2000 dort gespielt und die Atmosphäre genossen. Auch das italienische Sienna stand als Austragungsort für die EM in diesem Jahr noch zur Diskussion. Dort hätte man aber länger für eine Entscheidung gebraucht. Also hat die FIP nach Rücksprache und Zustimmung aller europäischen Länder die Meisterschaft an den Deutschen Polo Verband und damit Hannover und Wolfgang Kailing vergeben, um Fakten zu schaffen. Sienna bewirbt sich für die Polo Weltmeisterschaft 2014. Die endgültige Entscheidung hierüber wird bei der FIP-Generalversammlung in Buenos Aires im Herbst 2012 fallen. Die Chancen für Sienna stehen derzeit wirklich gut. So einen Fall wie Zürich habe ich in meiner ganzen Amtszeit noch nicht erlebt.
Wie ist der Stand in Hannover? Welche Vorbereitungen sind dort für die Durchführung der Europameisterschaft notwendig?
Wolfgang Kailing hat mir bestätigt, dass dort bereits ein zweites Polofeld bereitsteht, das schon eingesät wurde. Wahrscheinlich soll, so Kailing, auch noch ein drittes Spielfeld hinzukommen. Auf diese Aussagen verlassen wir uns natürlich. Wenn zehn Teams bei der EM antreten, kann man rechnen, dass der Veranstalter etwa 25.000 Euro pro Team investieren muss, also rund 250.000 Euro. Diese Summe wird soweit möglich durch die Einbindung von Sponsoren abgedeckt.
Wie hat sich der Polosport in Europa in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?
Der europäische Polosport hat sich vor allem an der Peripherie weiterentwickelt. Länder wie Polen, Ungarn, die Slowakei und Russland sind hinzugekommen. Auch Portugal arbeitet aktiv an seiner Poloszene. Generell spielt für die Entwicklung des Sports ja immer auch die wirtschaftliche Entwicklung im jeweiligen Land eine enorme Rolle. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie in den vergangenen Jahren hat das natürlich direkte Auswirkungen auf die Entwicklung des Sports. Vor allem geht es deshalb um die Frage, wie wir den Polosport noch populärer machen können. Da sind natürlich die Medien gefragt und von Bedeutung – allen voran das Fernsehen. Fernsehen braucht aber einen verständlichen Sport, der leicht zu verfolgen ist. Polo ist da recht unübersichtlich. Innerhalb der FIP wird diskutiert, wie man den Sport medientauglicher und zugänglicher für ein breites Publikum machen könnte. Beispielsweise könnte die Spielrichtung nicht nach jedem Tor, sondern nach jedem Chukker wechseln. Der Einwurf nach einem Tor könnte direkt von der Torlinie erfolgen, um einen schnelleren Spielanschluss zu gewährleisten als bei Aufstellung und Einwurf auf der Mittellinie. Vor allem die drei großen Pololänder müssen sich für diese Ideen begeistern – auch sie spüren den finanziellen Druck massiv.
An welchen Aufgaben arbeitet die FIP aktuell in Europa? Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf?
Die FIP arbeitet gerade intensiv daran, sich auf eine tragfähige finanzielle Basis zu stellen, um einen durchgehenden Geschäftsbetrieb sicherzustellen. Es kann nicht sein, dass das Büro der FIP mit jedem neuen Präsidenten in ein anderes Land umzieht und komplett neu aufgebaut werden muss. Büroräume und ein konstanter Generalsekretär sind notwendig, da der Präsident der FIP nur ehrenamtlich tätig ist und die vielfältigen Aufgaben diese ehrenamtliche Rolle bei weitem übersteigen. Wie zum Beispiel gerade beim FIP Polo World Cup im chinesischen Tianjin Goldin Metropolitan Polo Club wird die FIP auch in Zukunft Turniere unterstützen und betreuen, die dafür einen gewissen Betrag bezahlen. Zudem suchen wir weitere Sponsoren für den Polo Weltverband.
Gibt es konkrete Pläne und Ziele für 2012?
In diesem Jahr stehen mit dem dritten Cup of Nations Anfang Juli in Budapest und der Europameisterschaft zwei wichtige europäische Turniere an. Unter der Regie der Central European Polo Association (CEPA) werden in Budapest vor allem Teams aus den neuen Pololändern vertreten sein. Wir haben die Spielklasse auf +2 bis +5 festgesetzt. Vorher wurde von 0 bis +4 gespielt, was eine zu große Bandbreite des spielerischen Könnens zuließ. Die gleiche Anpassung haben wir bei der Europameisterschaft vorgenommen, die jetzt von +6 bis +8 gespielt wird anstatt in der Spielklasse +4 bis +8. Damit wollen wir Ergebnisse wie ein drastisches 13:2 vermeiden. Solche Begegnungen waren in Ebreichsdorf bei Wien 2010 keine Seltenheit. Die Argentinier belächeln Turniere dieser Spielklassen, in Europa aber haben sich diese Wettbewerbe durchgesetzt und sind sehr beliebt.
Was kann man über Spielqualität und Umpiring in den neuen Pololändern Europas sagen?
Gerade in den neuen Ländern ist es schwer, professionelles Umpiring einzuführen und zu etablieren. Wir als FIP versuchen, für die Teilnahme an Umpiring Kursen in England zu werben und promoten die entsprechenden Angebote. Das ist natürlich schwierig, erst recht wenn die finanzielle Basis fehlt. Zum Beispiel war der hervorragende englische Umpire Charles Betz gerade mehrere Wochen in Ungarn, um das ungarische Team zu trainieren. Dort wurden ganz enorme Fortschritte gemacht. Man muss den Leuten einfach klarmachen, dass die Ausbildung durch einen professionellen Umpire einer der wenigen erfolgsversprechenden Wege ist. Deshalb muss ein Newcomer-Land Instanzen wie Betz zu sich ins Land holen, um Themen wie Umpiring, Handicaps etc. einen funktionierenden Rahmen und das entsprechende Know-how zu geben.
Woran wird bei der Federation of International Polo (FIP) gerade gearbeitet?
Die FIP muss in disziplinarischen Fällen die Möglichkeiten haben, Sanktionen zu verhängen. Das ist leider noch nicht in dem Maße festgeschrieben, wie in der Praxis benötigt. An den Stellen, wo disziplinarische Grenzen überschritten werden, sind uns mit der aktuellen Satzung zu sehr die Hände gebunden. Weiterhin bearbeiten wir auch unser Dauerthema und unternehmen einmal mehr den Versuch, international einheitliche Regeln zu entwerfen.
Die FIP arbeitet auch intensiv daran, alle neuen Polo-Disziplinen zu reglementieren. Die Zahl der neuen Arena-, Beach- und Snow-Polo Events ist rasant gestiegen. Auch in diesen Bereichen und Disziplinen ist die FIP die oberste Instanz und muss dementsprechende Regularien vorlegen, um zu vermeiden, dass neue Organisationsformen wie ein neuer Verband für Frauenpolo in England oder ein Snow Polo Verband in Finnland entstehen. Das sollte unbedingt vermieden werden. Die FIP ist das oberste Organ im internationalen Polosport – wo und worauf auch immer gespielt wird. Es zeigt aber auch, dass in diesen Bereichen ganz dringender Handlungsbedarf besteht. Meines Erachtens haben die drei großen Polonationen Argentinien, USA und England mittlerweile akzeptiert, dass auch die vielen kleineren Pololänder sehr aktiv sind und mitreden wollen und müssen. Sie haben gelernt, Polo auch außerhalb ihrer Grenzen zu akzeptieren – auf jeden Fall erleben wir eine positive Entwicklung für den europäischen Sport.
Wohin wird sich der Weltverband Ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren entwickeln?
Zur Generalversammlung in Argentinien im vergangenen Jahr sind alle wichtigen Entscheider der Welt erschienen. Rund 40 Nationen waren dort vertreten, was zeigt, dass eine gemeinsame Zukunft sehr ernst genommen wird. Sicherlich hat sich die gesamte Situation der FIP vor zwei Jahren noch als sehr heikel dargestellt. Meines Erachtens sind hier aber auch viele besonnene Menschen dabei, neue Weg zu beschreiten.
Sie sind selbst ein hervorragender und erfolgreicher Polospieler. Wie sind Sie zum Polo gekommen und in welchen Ländern haben Sie bereits gespielt?
Ich bin ja gebürtig aus St. Moritz und habe durch Reto Gaudenzi, den Erfinder des Snow Polo, Bekanntschaft mit dem Polosport gemacht. Nachdem ich ihm ein bisschen bei der Vorbereitung des ersten Snow Polo World Cup auf dem gefrorenen St. Moritzersee geholfen hatte, überzeugte er mich, auch einmal selbst aufs Pferd zu steigen. Ich war sofort begeistert, aber nicht gerade ein guter Reiter. Meine ersten beiden Pferde habe ich frustriert wieder verkauft, weil ich ständig runtergefallen bin. Bis dann der Poloprofi Adrian Laplacette zu mir sagte, das mit dem Runterfallen liege an mir und nicht an den Pferden. Sie hätten keine Schuld. Also bin ich zu ihm nach Argentinien gereist und habe dort Reiten und Polospielen gelernt. Mittlerweile habe ich unter anderem St. Moritz 19 mal gespielt, 7 mal die Deutsche High Goal Meisterschaft gewonnen und 4 mal die German Polo Masters auf Sylt. Ja, wir sind ein ziemlich erfolgreiches Team. Seit 13 Jahren bin ich mit meinem Pro Lucas Labat zusammen, wir spielen und trainieren gemeinsam, die anderen beiden Spieler wähle ich dann je nach Turnier aus. Lucas hat in diesen 13 Jahren immer das Beste gegeben, ist sehr seriös und ein fantastischer Spieler.
Welche Polopläne haben Sie für 2012?
Grundsätzlich gehe ich immer gerne auf Turniere, wo auch die 22 Stunden am Tag Spaß machen, die nichts mit Polospielen zu tun haben. Am Anfang dieses Jahres haben wir in Thailand und Indien gespielt, im Frühjahr geht es weiter nach St. Tropez, Wien, Sylt und Berlin, schließlich wieder über St. Tropez nach Sardinien. Das ist der grobe Fahrplan 2012.

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