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Interview mit Morgan Van Overbroek: „Polo hat mein Leben verändert!“

Sie ist die erste Frau weltweit an der Spitze eines aktiven Polo-Verbands: Morgan Van Overbroek, Präsidentin der Schweizer Polo Association spricht über Frauen im Polo, die Organisation von Turnieren in Zeiten von Corona und was sie am meisten an diesem Sport liebt.

Liebe Morgan, Sie sind derzeit in Argentinien. War die Anreise in Zeiten von Corona sehr kompliziert?
Ich hatte das Glück, dass einige meiner Freunde bereits ein paar Wochen zuvor ins Land eingereist waren und mir deshalb gute Tipps geben konnten. Ich habe mein Visum über den argentinischen Polo Verband beantragt – und dank meiner Nominierung als Präsidentin des Schweizer Polo-Verbandes und als Organisatorin eines Damenturniers auf meiner argentinischen Farm wurde der Antrag dann auch sehr schnell bearbeitet. Während andere deutlich länger warten mussten, hatte ich mein Visum nach nur zwei Wochen. Wir fühlen uns sehr privilegiert, hier sein zu können.

Brauchten Sie noch viele andere Papiere und wie lange mussten Sie in Quarantäne?
Nein, ich brauchte nur das Visum und zwei Ausdrucke von Dokumenten, die ich vorher online ausgefüllt hatte. In Argentinien gilt eine zweiwöchige Quarantäne. Das hört sich vielleicht erst einmal furchtbar an – aber da unsere Farm rund 900 Hektar groß ist, haben mein Mann Sébastien und ich genügend Platz, um uns die Beine zu vertreten. Wir spielen Polo, besuchen unsere Kühe, beobachten die Weizenernte und ich erledige zudem sehr gerne viel Gartenarbeit.

Zum ersten Mal sponsert ein Schweizer Polo Club zwei Teams bei den Open in Palermo. Wie kam es dazu?
Ich glaube es ist sogar weltweit eine Premiere, dass ein Polo-Club gleich zwei Teams in den Open sponsert. Unsere Motivation dafür ist schnell erklärt: Wir sind seit Jahren mit Pablo und Matias Mac Donough befreundet. Auch Jorge, dem Vater der beiden, standen wir bis zu seinem Tod nahe. Min Podesta, der für La Irenita 1 spielt, hat seinen ersten Profivertrag bei uns unterschrieben und wir arbeiten mit seiner gesamten Familie in Argentinien und in der Schweiz zusammen. Wir kennen zudem auch die meisten Spieler beider Teams. Als sie uns um Unterstützung baten, mussten wir deshalb nicht zweimal überlegen.

Sind die diesjährigen Open aufgrund von Covid-19 sehr anders im Vergleich zu den Vorjahren?
Es hat sich eine Menge verändert. Bis zum Halbfinale war kein öffentliches Publikum erlaubt, was natürlich für eine ganz andere Atmosphäre sorgt. Zu den Halbfinalen und zum Finale waren am Ende immerhin auf der Tribüne pro Tag bis zu 1000 Menschen erlaubt – was natürlich nicht gerade viel ist. Ich denke, wir können nur die Daumen drücken, dass sich die Situation mit der Verfügbarkeit von Impfstoffen im Jahr 2021 verbessern wird. Umso exklusiver fühlt es sich an, dass wir dabei sein konnten.

Sie sind weltweit die erste Frau an der Spitze eines Polo-Verbandes. Warum hat es so lange gedauert, bis es endlich soweit war?
Ich glaube, es hat sich vorher einfach noch nie ergeben, weil niemand ernsthaft über diese Option nachgedacht hat. Ich auch nicht! Die Schweizer Polo Association brauchte jemanden, der selbst aktiv Polo spielt und in der Lage ist, genügend Zeit und Energie in diesen Job zu investieren. Und ich sage ihnen: Die Position ist herausfordernd! Sie müssen den Verein vertreten und Ansprechpartner für Clubmitglieder und Clubpräsidenten sein. Es erfordert viel Diplomatie, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten gehört und respektiert werden; dass Polo in der Schweiz noch weiter wächst und auch außerhalb unserer Grenzen glänzt.

Wie lange haben Sie über das Angebot nachgedacht, bis Sie Ja gesagt haben?
Ich habe mich innerhalb weniger Tage entschieden, Ja zu sagen. Der Posten hörte sich für mich sehr interessant an und ich habe es schon immer geliebt, neue Herausforderungen in meinem Leben anzugehen. Ich musste nur sicher sein, dass die Arbeit sich nicht mit meinen anderen Geschäftsfeldern überschneidet.

Warum entdecken immer mehr Frauen Polo als Sport?
Viele Mädchen und Frauen sind einfach von Pferden fasziniert. Aber die Liebe zu diesen Pferden ist nur ein Aspekt: Polo versammelt die ganze Familie, bringt neue Freunde zusammen und erfüllt die Tage mit Glück und Freude. Frauen spielen seit ungefähr 2500 Jahren Polo, genau wie die Männer. Die jüngsten Entwicklungen bei Damenturnieren und der wachsende Erfolg von professionellen Spielerinnen haben das Gesicht vom Frauen-Polo verändert. Polo ist die einzige Sportart auf der Welt, in der eine Frau häufiger spielen kann als ein Mann, angefangen als Junior-Spieler bis hin zu den Damen- und Mix-Turnieren. Frauen konzentrieren sich zudem auch sehr auf Marketing, bieten Sponsoren eine hervorragende Sichtbarkeit und haben mit ihrer Arbeit definitiv einen Platz im Rampenlicht verdient.

Stimmt es, dass der Polo Park Zürich in diesem Bereich als Pionier unterwegs war?
Ja, dort wurde bereits seit 1999 ein Ladys Cup organsiert, während die meisten Damenturniere erst seit rund acht Jahren stattfinden.

Es ist jetzt schon abzusehen, dass sich Covid-19 auf uns und die Polo-Welt auch noch im Jahr 2021 auswirken wird. Wie gehen Sie mit dieser Tatsache um?
Noch im März 2020 waren die Infektionszahlen in der Schweiz sehr hoch. Zum Glück gab es dann bis Juni eine deutliche Verbesserung und viele Schweizer Polo-Clubs konnten ihre Saison beginnen. Die Turniere mussten jedoch in viel kürzerer Zeit stattfinden. Ohne Flexibilität ging in dieser Saison so gut wie nichts. Leider mussten einige der größten Schweizer Turniere verschoben oder abgesagt werden, da ausländische Gäste und Spieler nicht einfliegen und Sponsoren ihre Kunden nicht zu den Veranstaltungen einladen konnten. Wir hatten im Sommer ein sicheres Fenster und nutzten es mit Bedacht, um so viel Polo wie möglich zu spielen.

Was ist die größte Herausforderung?
Alle Vereine und Turnierorganisatoren müssen in Bezug auf die Richtlinien der Regierung sehr wachsam bleiben. Wir mussten eine Saison auf die Beine stellen, in der es ständig Änderungen in Bezug auf die Anzahl der Gäste, die an den Veranstaltungen teilnehmen durften, oder die Reisegenehmigungen gab. Ich bin froh, dass die Polosaison 2020 vorbei ist. Wir bereiten das Jahr 2021 bereits mit großer Sorgfalt vor. Leider musste unser Winterjuwel Snow Polo St. Moritz auf 2022 verschoben werden. Hoffen wir, dass der Impfstoff uns im Frühjahr helfen wird.

Wie viele Mitglieder haben aktuell sämtliche Polo Clubs in der Schweiz?
Im Schweizer Polo-Verband sind 167 Spieler registriert. Dies sind allerdings nur die Mitglieder, die an SPA-Turnieren teilnehmen. Clubs haben mehr Spieler – einschließlich Kindern, die lokale Turniere spielen oder noch Anfänger sind.

Ihr Mann, Sebastién Le Page ist Präsident vom Polo Park Zürich. Wie ergänzen Sie sich gegenseitig? Wer übernimmt welchen Part?
Ich erinnere mich noch lebhaft daran, als er mir sagte, dass sich unser Leben als neuer Besitzer vom Polo Park Zürich nicht verändern wird. Nun, er hat sich ziemlich geirrt, wie wir sehen können. (lacht) Der Bau des neuen Clubhauses und der Ställe war ein sehr herausforderndes Projekt. Nacheinander mussten wir unser Arbeitsteam aufbauen, wobei Francisco Podesto der Polomanager blieb. So wie der Verein wächst auch unser Team. Wir sind der viertgrößte europäische Verein in Bezug auf Mitglieder und Turniere und möchten es dabei so einfach, familiär und professionell wie möglich halten. Sébastien hat die Vision eines Investors. Er denkt über langfristige Strategien nach, während meine Stärken vor allem in den Bereich Marketing und Kommunikation liegen. Was uns auf jeden Fall verbindet: Wir folgen beide unserem Bauchgefühl und sind auf dem Feld sehr engagierte Gegner.

Wieviele Polo Ponys besitzen Sie selbst? Und wer ist Ihr persönlicher Favorit?
Momentan haben wir 28 Polo Ponys. Ich habe in den vergangenen zwei Jahren fast meine gesamte Pferdeserie gewechselt. Am Ende dieser Saison gab mir unser Profi Martin Podesta seine beste Stute, Cleopatra, damit sie unter meiner Hand weniger Druck hat. Ich fühle mich gesegnet, meine Ponys besitzen zu dürfen. Jedes Tier ist für mich etwas Besonderes in Bezug auf Charakter und Fähigkeiten – und deshalb ist es unmöglich, einen Favoriten zu nennen. Ich versuche so viel Zeit wie möglich mit meinen Pferden zu verbringen. Wenn sie also nicht wissen, wo sie mich finden können, schauen sie einfach in den Ställen nach.

Was lieben Sie am meisten am Polo?
Ich habe in meinem Leben schon viele verschiedene Sportarten ausprobiert – und deshalb kann ich heute mit Sicherheit sagen, dass Polo der ultimative Sport ist.

Und warum?
In diesem Sport ist Teamgeist das Allerwichtigste – und dann sind die Teams auch noch sehr klein. Menschen verlassen sich deshalb bei jedem Spiel voll auf dich. Was auch immer deine Fähigkeiten sind, du hast deinen Platz auf dem Feld und eine Aufgabe zu erfüllen. Du kannst im selben Team mit einem Profi, einem Junior, einem Mann und einer Frau spielen. Und Polo ist noch nicht vorbei, wenn die letzte Glocke läutet. Es hat noch viele weitere Aspekte.

Welche zum Beispiel?
Polo zu spielen bedeutet, ein ganz neues Universum zu umarmen. Sie werden schnell feststellen, dass Winston Churchill recht hatte: Ihr Handicap ist ein Reisepass für die Welt. Sie entdecken neue Orte, treffen Menschen, die dieselbe Leidenschaft teilen, bleiben neugierig und lernen neue Dinge über sich. Polo ist faszinierend. Es ist eine ganz besondere Art zu leben, zu essen und zu atmen.

von Thomas Wirth

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