Pferde

Viele Pferdebesitzer, -trainer und pfleger wissen, wie man mit den alltäglichen Verletzungen und Erkrankungen unserer Pferde umgehen sollte und sind darin geschult diese zu erkennen. Was aber tun, wenn das oder die Augen betroffen sind und wie kann man Verletzungen und Pathologien frühzeitig erkennen oder sogar vermeiden?

Bei jedem noch so kleinen Anzeichen, das auf eventuelle Schmerzen oder Veränderungen am Auge hindeutet, wie zum Beispiel:

• Lichtempfindlichkeit
• Vermehrte Tränenproduktion oder Augenausfluss (seröse oder purulente Sekretspur im medialen Augenwinkel)
• Rötung der Bindehaut 
• Vermehrtes blinzeln oder geschlossen halten des Auges
• Reiben des Auges 
• Fremdkörper im Auge 
• Lidverletzungen 
• Trübung der Hornhaut oder Linse
• Einblutungen 
• Umfangsvermehrungen
• Pigmentierungen oder Farbveränderungen 
• Asymmetrie des Kopfes oder der Augen (vergleichend von vorne betrachten)
• Veränderungen im Verhalten, Probleme im Umgang und beim Reiten sollten Sie schnellstmöglich ihren Tierarzt rufen.

Nach ausführlicher Untersuchung und Diagnosestellung wird dieser einen Behandlungsplan erstellen oder eine Überweisung zu einem spezialisierten Ophthalmologen empfehlen.

Durch die seitliche Ausrichtung der Augen sind diese und die umliegenden Strukturen besonders für traumatische Verletzungen prädisponiert. Zudem kommen u.a. Entzündungen im Augeninneren (Equine Rezidivierende Uveitis), Neoplasien, sowie Katarakte beim Pferd vor.

Verletzungen oder Ulzerationen des vorderen durchsichtigen Abschnittes des Auges, Hornhaut oder auch Kornea genannt, kommen häufig vor. Die Hornhaut enthält keine Blutgefäße und ist eine der empfindlichsten Oberflächen des Körpers. Wir alle wissen, wie schmerzhaft es ist etwas im Auge zu haben. Das liegt daran, dass die vielen Nervenenden in der Kornea bei der kleinsten Reizung anfangen zu feuern. Wenn ein Pferd auch nur einen kleinen Kratzer auf der Hornhaut hat, ist dies mit starken Schmerzen verbunden. Das Auge wird oftmals zugehalten, ist rot und tränt. Da sich keine Blutgefäße in der Kornea befinden ist der Heilungsprozess sowie die Abwehr von Erregern erschwert. Wenn eine Hornhautverletzung oder Ulzeration vorliegt, sollte ein Tierarzt die Tiefe und Größe des Defekts bestimmen. Eine ophthalmologische Untersuchung findet in einem ruhigen und abgedunkelten Raum statt (alternativ kann eine Box mit Decken abgehangen werden). Um eine genaue Untersuchung zu ermöglichen, werden oftmals die Nerven, welche die Augenlieder versorgen, mit einem lokalen Anästhetikum vorübergehend gelähmt. Abhängig vom Character und der Schmerzhaftigkeit des Prozesses kann der Patient ebenfalls sediert werden. Verschieden Reflexe werden getestet, die Tränenproduktion, der Augeninnendruck werden ermittelt und der vordere Augenabschnitt sowie der Hintere (hierfür wird die Pupille mit speziellen Tropfen weitgestellt) werden untersucht. Zusätzlich können Proben für z.B. Erreger- und Medikamentenresistenzbestimmungen gewonnen werden. Die Hornhaut wird mit einem speziellen Farbstoff, Fluorescein, angefärbt. Dieser wird von der Hornhaut aufgenommen, wenn das Epithel (die oberste Zellschicht) fehlt. Mit Hilfe einer UV-Lampe kann der dann grün leuchtende Defekt im Stroma der Kornea sichtbar gemacht werden. Wenn die Hornhaut kurz vor der Perforation steht und nur noch die tiefste Schicht, das Endothel, vorhanden ist wird der Farbstoff in dem Bereich nicht aufgenommen. Oftmals sind diese Patienten weniger schmerzhaft, da das Endothel keine Nervenfasern enthält. Obwohl uns das Pferd mit einem offenen Auge anguckt, handelt sich um einen Notfall. Wenn die Hornhaut perforiert und das Kammerwasser austritt (das Auge läuft aus) kann dies zu dem Verlust des Auges führen.

Deswegen sollte ein Fremdkörper, der im Auge steckt, nie herausgezogen werden, da dieser wie ein Korken wirkt und die Wunde verschließt. Nur ein Spezialist, der die chirurgischen Fertigkeiten hat, die Hornhaut zu reparieren, sollte einen solchen Eingriff durchführen.

Heu, Sand, Splitter u.v.m. können hinter das dritte Augenlied gelangen und zu einer chronischen Reizung und Ulzeration der Hornhaut führen. Es ist Teil der Augenuntersuchung sicherzustellen, dass sich hinter dem dritten Augenlied keine Fremdkörper befinden. Es kommt vor, dass z.B. ein Stachel nur kurz in die Hornhaut eindringt und keinen offensichtlichen Schaden anrichtet. Auf diesem Wege können Bakterien oder Pilze in das Stroma gelangen und ein Abszess kann entstehen.

Tiefe und/oder infizierte Hornhautverletzungen, Ulzerationen, sowie stromale Abszesse müssen oft chirurgisch versorgt werden. Hierfür werden verschiedene Techniken angewandt. Ziel ist es, die Erregerlast zu reduzieren, die Hornhaut zu stärken und Blutgefäße und die damit verbundenen Abwehrzellen und Wachstumsfaktoren in den Bereich der Verletzung zu migrieren. Aufgrund der kurzen Kontaktzeit der verschiedenen Augentropfen oder – salben wird oftmals ein spezieller Katheter in das obere oder untere Augenlid gesetzt (subpalpebrales Lavagesystem). Über diesen können Medikamente manuell, oder kontinuierlich mit einer Pumpe gegeben werden. Zusätzlich werden oft systemische Medikamente eingesetzt.

Traumatische Verletzungen der Augenlieder sind ebenfalls häufig in der Praxis anzutreffen. Die Lider sind stark durchblutet und heilen oftmals ohne Komplikationen, wenn sie sofort chirurgisch versorgt werden. Ist dies nicht der Fall, kann es zu Infektionen, Bildung von Narbengewebe und Verformung der Lider kommen. Hierdurch kann der natürliche Lidschluss, der für die Aufrechterhaltung des Tränenfilms eine wichtige Rolle spielt, eingeschränkt oder behindert werden, was zu weiteren langwierigen Augenproblemen führen kann.

Wenn eine Verletzung des Kopfes oder des Auges durch einen Schlag oder anderes Trauma erfolgt, kann dies zu erheblichen Weichteilverletzungen, Frakturen der verschiedenen Schädelknochen, und zu z.B. einer Proptose (das Auge tritt aus der knöchernen Höhle hervor), zu Einblutungen in das Auge und Netzhautablösung führen. Diese Patienten sollten schnellstmöglich von einem Tierarzt betreut werden. Falls vorhanden, müssen Schocksymptome bekämpft werden, der Kreislauf stabilisiert und Blutungen gestoppt werden. Starke systemische Schmerzmittel sowie Beruhigungsmittel sind oftmals indiziert. Ein Kopfverband, mit Kochsalzlösung oder antibiotischen Augentropfen benetzt, kann für den Transport in eine Klinik angebracht werden. Oftmals sind weitere Untersuchungen nötig (z.B. Ultraschall, Röntgen, CT) um das Ausmaß der Verletzungen zu ermitteln. 

Ein akuter Equine Rezidivierender Uveitis (ERU, periodische Augenentzündung) Schub ist ebenfalls ein Notfall. Diese autoimmun mediierte, entzündliche Erkrankung, die sich im Augeninneren abspielt, ist meist schwer zu kontrollieren. Pferde erleiden typischerweise mehrere Entzündungsschübe, die über die Zeit degenerative Veränderungen verursachen und letztendlich zum Erblinden des oder der betroffenen Augen führen können. Akut zeigen die meisten Pferde typische Symptome wie Blinzeln, Rötung der Bindehaut, vermehrtes Tränen und/oder eine trübe Hornhaut. Einige Pferde haben nur sehr milde Symptome, wie zum Beispiel nach unten gerichtete Wimpern. Da jede Entzündung potenziell mehr Schaden anrichtet, ist es wichtig schnell zu handeln und den Tierarzt zu rufen. Es gibt verschiedene Therapieansätze (z.B.: Vitrektomie, Cyclosporin Implantate), aber trotz engmaschiger Betreuung und Behandlung besteht immer das Risiko eines erneuten Schubes.

Neoplasien wie Plattenepithelkarzinome und seltener, Sarkoide und Melanome, können in der Augenregion angetroffen werden. Es handelt sich hierbei nicht konkret um Notfälle, aber es ist wichtig regelmäßig die Augen sowie die umliegenden Strukturen gründlich zu betrachten und zu palpieren (Augenlieder etc.) um Veränderungen in Farbe, Form und Konsistenz des Gewebes frühzeitig zu erkennen. Besteht ein Zweifel, sollte ein Tierarzt herangezogen werden und der restliche Körper auf Metastasen und weitere Tumoren untersucht werden.

Katarakte treten beim Pferd meist sekundär (als Folge einer anderen Erkrankung, vor allem ERU) auf oder sie sind angeboren. Abhängig von der Größe und Position der Linsentrübung kann diese zu Veränderungen des Lichteinfalls auf die Netzhaut führen und einige Pferde weisen Verhaltensänderungen auf.
Dies trifft vor allem zu, wenn die Trübungen größer werden. Daher sollten diese Patienten regelmäßig untersucht werden und die Größe und Position der Linsenveränderung notiert werden. Frühe Erkennung und Diagnose führen zudem zu besseren Ergebnissen, falls eine Operation möglich und indiziert ist. 

Grundsätzlich sollte jedes Pferd jährlich eine Allgemeinuntersuchung erhalten. Während dieser werden Themen wie Haltung, Fütterung, Arbeitspensum und Trainingsziele besprochen und eine komplette tierärztliche Untersuchung, inklusive der Augen, sollte erfolgen. Dies ermöglicht frühe Anzeichen, die auf einen Krankheitsprozess hindeuten, zu erkennen und zu behandeln und die allgemeine Leistungsfähigkeit langfristig zu erhalten.

Um Notfälle und vor allem Verletzungen am Auge zu vermeiden, ist es wichtig die Umgebung unserer Pferde zu optimieren. Herausragende Nägel, spitze Kanten, oder Ecken haben im Stall und auf der Weide keine Daseinsberechtigung. Heunetze sowie Rundballen können zu Verletzungen der Hornhaut führen. Wind und Staub sollten vermieden werden, da sie zu Reizungen der Augenoberfläche führen können. Auch Stress kann sich negativ auf die Augengesundheit auswirken. Dies trifft vor allem auf Pferde mit ERU zu. Wenn möglich, sollten Pferde immer mit Fliegenmasken mit UV-Schutz auf der Weide sein. Auch während des Transportes können diese vor Zugluft schützen. Verschiedene Hersteller bieten spezielle Brillen für Pferde an, die die Augen auch während des Reitens vor Verletzungen schützen können.

Wenn ein Pferd Symptome zeigt, die auf Augenschmerzen hindeuten, sollte es sofort abgesondert werden, in einen ruhigen, dunklen und zugfreien Stall gebracht und von einem Tierarzt untersucht werden. Eine saubere Fliegenmaske kann vor weiterer Kontamination schützen. Falls Fremdkörper auf der Augenoberfläche sind, kann das Auge, bevor der Tierarzt eintrifft, mit Kochsalzlösung ausgespült werden. Ein Fremdkörper, der in der Hornhaut steckt, darf nicht herausgezogen werden. Pferde, die sich vehement das Auge reiben, sollten hiervon abgehalten werden, um weitere Verletzungen zu vermeiden. Blutungen sollten, wenn möglich, durch leichten Druck oder das Anlegen eines Kopfverbandes, gestillt werden. Bitte verwenden Sie keine Medikamente, die für das Auge von einem anderen Pferd verschrieben worden sind. Dies kann fatale Folgen haben.

Eine noch so kleine Verletzung kann zum Erblinden oder zu dem Verlust eines Auges führen, also handeln Sie schnell und rufen Sie den Tierarzt.

Dr. med. vet., DVM Lena Horn ist medizinische Beraterin, Tierärztin und seit Mai 2019 Redaktionsmitglied und tierärztliche Beraterin von POLO+10.
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