Es war einer jener milden Sommerabende, wie wir sie im Polo Club du Domaine de Chantilly so lieben – mit freundlichen Gesprächen auf der Terrasse der Orangerie… Doch auf dem Spielfeld war dieses sogenannte „Freundschaftsspiel“ alles andere als das. Brasilien war eindeutig nicht zum Spaß hierhergekommen – auf demselben Feld, auf dem eine andere Seleção vor einundzwanzig Jahren einen Weltmeistertitel errungen hatte. Ihnen gegenüber stand das französische Team von Jean-Claude Le Grand, fest entschlossen, die Stärke seines Kollektivs unter Beweis zu stellen – gegen ein Team mit einem Spieler mit einem Handicap von 7. Es ging um die Ehre.
Brasilien überließ nichts dem Zufall und ritt auf Pferden höchster Qualität, bereitgestellt von argentinischen Profis mit Sitz in Chantilly, wie Tito Guiñazu und Jota Chavanne. Von Beginn an übernahmen die Brasilianer die Kontrolle und führten bereits nach drei Minuten mit 2:0. Doch das französische Team reagierte schnell – angeführt von einem inspirierten Édouard Pan, der den Ausgleich zum 2:2 erzielte und Frankreich anschließend mit 4:2 in Führung brachte. Danach lieferten sich beide Mannschaften ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen. Am Ende behielt Frankreich knapp die Oberhand und gewann dieses hart umkämpfte Testspiel mit 9:8 – ein stolzes Ergebnis für Patron Jean-Claude Le Grand, der – ungeachtet des Wettbewerbs – stets auf rein französische Aufstellungen unter den Farben von Eternal J setzt. Am Freitag belohnten Louis Jarrige, Édouard Pan und Julien Reynes diese Treue mit einem prestigeträchtigen internationalen Sieg.
„Gegen Südamerikaner zu spielen ist immer schwer“, kommentierte Jean-Claude Le Grand. „Sie geben nie auf. João Paulo Ganon hat uns mit seinem 7er-Handicap ständig daran erinnert. Ihr Team hat gut zusammengespielt, auch wenn das Match nicht immer sehr offen war, da Ganon und Garcia oft als Duo agierten. Es hieß zwar Freundschaftsspiel, aber freundlich war da gar nichts! Sie sind ganz klar gekommen, um zu gewinnen. Ein Polospiel ist nie wirklich freundschaftlich – egal was auf dem Spiel steht, man will immer gewinnen.“
Es war tatsächlich ein Kampf – aber ein fairer: Nur zwei der insgesamt siebzehn Tore fielen durch Strafschläge. João Paulo Ganon, Brasiliens bester Torschütze, ist übrigens der Bruder von Pedro Henrique Ganon – jenem Spieler, der 2004 in Chantilly das entscheidende Golden Goal erzielte, das Brasilien den Weltmeistertitel sicherte. „Es war mein erstes Mal in Chantilly“, sagte João Paulo Ganon. „Ein großartiger Club mit hervorragenden Einrichtungen und Top-Spielern. Frankreich hat wirklich gut gespielt. Wir sind gekommen, um zu gewinnen – man will doch immer gewinnen, oder? Frankreich ist ein starkes Team. Man merkt, dass ihre Spieler es gewohnt sind, miteinander zu spielen, während wir zum ersten Mal gemeinsam auf dem Feld standen.“
João Paulo Ganon wird am 26. Juli erneut das berühmte Auriverde-Trikot tragen – beim prestigeträchtigen Coronation Cup gegen England – ein Team, gegen das Brasilien bereits dreimal gespielt, aber noch nie gewonnen hat.
Dieser Sieg markiert eine starke Leistung Frankreichs gegen ein technisch überlegeneres Team auf dem Papier, angeführt von einem 7-Goaler. Er fügt der Geschichte des französischen Polos ein weiteres stolzes Kapitel hinzu, das nun seinen Fokus auf die Titelverteidigung bei der Arena-Weltmeisterschaft im Oktober in Virginia richtet.
Mit seinen hochklassigen Einrichtungen und seiner internationalen Ausrichtung bleibt Chantilly ein entscheidender Motor für die Entwicklung des französischen Polosports. Wir sehen uns im September zum Höhepunkt der französischen Saison – dem Open de France Barnes, bei dem mehrere große Namen des internationalen Polos erwartet werden.
Nice ‘meeting’ between France and Brazil © Justine Jacquemot
Team Frankreich:
Jean-Claude Le Grand (0) – Kapitän
Édouard Pan 4 (5 Tore)
Louis Jarrige 4 (4 Tore, darunter 1 Strafstoß)
Julien Reynes 4
Team Brasilien:
Luigi Cosenza (0) – Kapitän
João Paulo Ganon 7 (4 Tore, darunter 1 Strafstoß)
Gustavo Garcia 4 (3 Tore)
José Cardoso 2 (1 Tor)
Spielverlauf für Frankreich:
3–2 / 4–3 / 4–5 / 7–6 / 9–8
BPP (Best Playing Pony): Lamore Patada, gespielt von Édouard Pan, gezüchtet von Diego Cavanagh
MVP (Most Valuable Player): Gustavo Garcia (Brasilien)
Brasilianisches Polo: Eine südamerikanische Führungsmacht
Das brasilianische Polo wird von der Confederação Brasileira de Polo (CBP) organisiert und ist dem Weltverband FIP angeschlossen. Es gibt vier Teilverbände für die Bundesstaaten Brasília, Rio de Janeiro, São Paulo und Rio Grande do Sul. Die CBP ist als „Vollmitglied“ der FIP (Kategorie B – für Länder mit mehr als 100 Spielern) klassifiziert und zählte im Jahr 2024 insgesamt 288 Mitglieder.
Ein ikonischer Club
Das Land verfügt über rund 50 angeschlossene Clubs, hauptsächlich in den Bundesstaaten São Paulo, Minas Gerais und Rio Grande do Sul. Der international bekannteste ist der Helvetia Polo Country Club in São Paulo, der jährlich über 20 Turniere veranstaltet – darunter die brasilianische Triple Crown (Giorgio Moroni Cup, Helvetia Open und São Paulo State Open) sowie Wettbewerbe mit Handicaps von 4 bis 24 Toren. Diese Turniere bringen etwa 200 Spieler und 3.000 Pferde zusammen.
Internationale Anerkennung
Auf Weltmeisterschaftsniveau im Medium Goal ist Brasilien die zweiterfolgreichste Nation (nach Argentinien) mit acht Podiumsplätzen bei zwölf Ausgaben, darunter drei Titel (1995, 2001 und 2004).
Hochkarätige Spieler und internationale Erfolge
Im Jahr 2010 gewann das französische Team Tres Marias von Hugues Morin den Open de France in Chantilly. Zum Team gehörten die brasilianischen Brüder Olavo Novaes (damals H8) und João Novaes (damals H3, mittlerweile H5) sowie Pierre-Henri Ngoumou. Bereits 2007 hatte Morin den Brasilianer Ricardo Mansour (H7) verpflichtet – allerdings mit weniger Erfolg.
In jüngerer Zeit gewannen Pedro Zacharías (H7) und Rodrigo Ribeiro de Andrade (in einigen Ländern H8) im Jahr 2020 die Copa Cámara de los Diputados gemeinsam mit Poroto Cambiaso.
Ein weiteres historisches Ereignis: Rodrigo Ribeiro de Andrade sprang im Jahr 2019 im Finale des Abierto für den verletzten Juan Martín Nero bei La Dolfina ein – und wurde damit der erste und bislang einzige Brasilianer, der das „Heilige Gral“ des Polos gewann. Pedro Zacharías, inzwischen H8, wird dieses Jahr versuchen, sich mit La Aguada für die nächste Ausgabe zu qualifizieren.
Globale Präsenz und Infrastruktur
Ein weiterer Beleg für Brasiliens Polo-Exzellenz: Am 26. Juli 2025 wird erneut ein brasilianisches Team gegen England im prestigeträchtigen Coronation Cup im Windsor Castle antreten – vor König Charles III.
Brasilien verfügt über eine starke Infrastruktur aus Verbänden, Clubs und Turnieren, ein solides Zuchtprogramm sowie eine bedeutende internationale Präsenz. Es gilt ohne Zweifel als die zweitgrößte kontinentale Polomacht nach Argentinien – und als eine der fünf führenden Polonationen weltweit.
Text Pascal Renauldon
Images Justine Jacquemot