Das Polo Handicap
Historie des Polohandicaps
Britische Offiziere, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Indien stationiert waren, brachten den Polosport nach Europa. Der dort im Jahre 1876 gegründete Hurlingham Polo Club schrieb die Poloregeln erstmals fest. Bis heute werden sie im internationalen Sport zitiert. Durch die Briten gelangte das Spiel auch nach Nord- und Südamerika. Das Polohandicap stammt allerdings nicht aus der Feder der Engländer. Vielmehr war es Henry Lloyd Herbert, der erste Präsident der United States Polo Association (USPA), der mit der Gründung der USPA im Jahr 1890 ein Handicapsystem einführte. Von nun an konnten die Fähigkeiten der einzelnen Spieler miteinander verglichen und Teams trotz unterschiedlicher Einzelleistungen so zusammengestellt werden, dass sie ebenbürtig sind. 1910 führten auch die Engländer und Inder Handicapsysteme ein. Ein weltweit einheitliches und übergreifendes System existiert bis heute nicht. Vielmehr werden die Handicaps der Spieler von den jeweiligen Landesverbänden festgelegt.
Vom Anfänger bis zum Profi: die Skala
Das Handicap wird nicht allein durch die Tor- und Turniererfolge bestimmt, sondern in die Bewertung fließen viele weitere Faktoren wie Sportsgeist und Fairness, Teamplay, Polokenntnisse, Strategie und Horsemanship mit ein. Das höchstmögliche Handicap ist die +10. Noch nicht einmal ein Dutzend weltweit spielt es. Dabei bestimmen vor allem die argentinischen Polofamilien die Spitzenklasse. Unter den derzeit neun 10-Goaler stammen acht aus Argentinien. Für den Großteil bleibt das obere Ende der Skala allerdings unerreicht: Zwei Drittel aller Spieler haben ein Handicap von +2 oder weniger. Die genaue Aufteilung der Handicapskala wird je nach Land unterschiedlich gehandhabt.
Argentinien: 0 bis 10
USA: C (-2), B (-1), B+ (-0.5), A (0), A+ (0.5), 1.0, 1.5, 2 bis 10
England: -2 bis 10
Das Teamhandicap bei einem Turnier errechnet sich aus den Einzelhandicaps der Spieler. Aus Fairnessgründen gibt es für die Mannschaften mit einem niedrigeren Teamhandicap eine sogenannte Torvorgabe.
Die Besten der Besten: die 10-Goaler
Derzeit gibt es nur neun Spieler weltweit, die das höchstmögliche Handicap von +10 spielen. Da jedes Land ein eigenes Handicap festlegt, können Spieler in Argentinien eine +10 spielen, während sie in den USA nur ein Handicap von +9 haben. Teilweise sind die Unterschiede sogar noch größer.
Go Ladies: das Women’s Handicap
Im Polo ist es üblich, dass Frauen und Männer gemeinsam in „gemischten“ Teams spielen. Die Zahl der Polospielerinnen wächst zusehends und so haben sich im Laufe der vergangenen Jahre zusätzlich auch immer mehr reine Ladies Turniere etabliert. Um die Attraktivität von Ladies Turnieren zu steigern, hat die Asociación Argentina de Polo (AAP) im Jahr 2012 spezielle Handicaps für Frauen eingeführt. Das Womens’ Handicap gilt nur in reinen Damenturnieren – wird zusammen mit Männern gespielt, zählt das normale Handicap. Während der Saison beobachtet die Frauenhandicap-Kommission die Spielerinnen bei den Ladies Turnieren und berät zweimal im Jahr über deren Leistungen und eventuelle Handicapveränderungen. Ende 2011 hat die Fedération Française de Polo (FFP) das argentinische System übernommen. Seit Anfang 2014 existiert auch in den USA ein spezielles Frauenhandicap. Dieses Jahr hat Großbritannien nachgezogen und zum Saisonstart im April 2015 Ladies Handicaps eingeführt. In allen anderen Ländern existiert kein spezielles Handicapsystem für Frauen, dort werden auch die reinen Damenturniere mit dem normalen Handicap gespielt.
Arena, Beach und Snow Polo
Auch für Arena-Turniere gibt es in den USA und Großbritannien ein eigenes Handicap. Bester Arena-Player in den USA ist Thomas Biddle mit einem Arena-Handicap von +10. Auf Rasen spielt er eine +6. In Großbritannien wurde Chris Hyde vor kurzem heraufgestuft und spielt nun ebenfalls eine +10 (Outdoor +6).
Für Beach und Snow Polo gibt es keine eigenen Handicaps, sondern für gewöhnlich werden die normalen Handicaps um einen Zähler hochgesetzt.
Interview mit Nicholas J.A. Colquhoun-Denvers, Präsident der Federation of International Polo
Warum gibt es kein weltweites Handicap?
Derzeit werden die Handicaps von den Landesverbänden festgelegt, basierend auf ihren eigenen Saisons, Protokollen und Systemen. Der Vorteil, der sich aus einer Instanz ergeben würde, die all diese Informationen sammelt und während der unterschiedlichen Spielsaisons aktuell hält, würde nicht den administrativen Aufwand rechtfertigen. Als Zusammenschluss der Landesverbände wären wir derzeit leicht in der Lage, die Handicaps über unsere Mitgliedsverbände genau festzulegen, aber es unnötig und extrem schwierig, dies im Tagesgeschäft zu machen.
Braucht der Polosport ein weltweit einheitliches Handicap?
Eigentlich nicht. Bei der aktuellen FIP World Championship in Chile wurden vier der Matches durch ein Extra-Chukker entschieden, viele Spiele endeten mit nur einem Tor Unterschied. Das zeigt uns, dass das internationale Handicapsystem ziemlich genau ist.
Wie denken Sie über die extra Handicaps für Frauen?
Ich finde, dass sie gut sind für Matches, die ausschließlich von Frauen gespielt werden. Alles, was einen wachsenden Bereich unterstützt, ist eine gute Sache. Es funktioniert in Frankreich, Argentinien und den USA – und ich bin mir sicher, dass es auch in Großbritannien ein großer Erfolg werden wird.
Wie stehen Sie zum Arena-Handicap?
Nur wenige Nationen spielen Arena Polo und manche Player spielen NUR Arena Polo. Bei einem Spiel zu dritt und auf engstem Raum in der Arena müssen sich die Handicaps von denen beim Rasenpolo unterscheiden.
Gibt es seitens der FIP Bestrebungen für eine Vereinheitlichung der bestehenden Handicapsysteme?
Meines Wissens nicht. Da die FIP die Interessen der Landesverbände vertritt, müssen wir deren Eigenständigkeit respektieren.