Politik

von Dr. Holger Schmieding

Vor etwa 100 Jahren begannen nach Weltkrieg und Spanischer Grippe die wilden Zwanziger Jahre. Die Verzweiflung und Lebenslust der Überlebenden entlud sich nach und nach in einem langen Boom mit vielerlei Exzessen, der schließlich in einer neuen Katastrophe endete. Kann sich die Geschichte wiederholen? Ja und nein. Ja, es gibt eine große Chance auf einen kräftigen und lang anhaltenden Aufschwung nach der Pandemie. Aber nein, aus heutiger Sicht gibt es keinen Grund, ein Ende mit Schrecken vergleichbar mit der großen Depression ab 1929 zu befürchten. Wenn die Wirtschaftspolitik keine groben Fehler macht, können es diesmal für große Teile der westlichen Welt goldene Zwanziger Jahre werden.

 

Besserung in Sicht

Beginnen wir mit dem Ausblick auf die kurzfristige Konjunktur. Nachdem die Pandemie unser Leben 15 Monate im Würgegriff gehalten hat, ist Besserung in Sicht. Mit der Sonne und Wärme des Frühlings kann das Virus sich auf der Nordhalbkugel nicht mehr so rasch ausbreiten. Gleichzeitig hat sich der medizinische Fortschritt mehr als wohl jemals zuvor beschleunigt. Selbst in der Europäischen Union, die zunächst vor allem dank großzügiger Exporte von Impfstoffen in andere Länder weit hinter den USA und Großbritannien zurückgeblieben war, wurden mittlerweile bereits 40 Dosen pro 100 Einwohner verimpft. Ähnlich wie vor einem Jahr werden wir den kommenden Wochen die Einschränkungen des öffentlichen Lebens vermutlich spürbar lockern können. Dank einer Vielzahl von Impfstoffen dürfte Covid19 im Herbst seine Schrecken weitgehend verloren haben, auch wenn das Virus nicht verschwinden wird und Impfungen vermutlich aufgefrischt werden müssen.

Im vergangenen Frühjahr und Sommer hat sich nahezu überall in der westlichen Welt gezeigt, wie schnell die Konjunktur wieder anspringen kann. Von Mai bis November haben nahezu alle Wirtschaftsdaten nach oben überrascht. Während beispielsweise die deutsche Wirtschaftsleistung im April 2020 wohl um etwa 25 % gegenüber dem Niveau vor der Pandemie eingebrochen war, hatte sich dies bis Oktober auf ein Minus von nur noch 3 % zurückgebildet.

 

Enormes Nachholpotenzial

Die Menschen möchten gerne wieder zurück in die Restaurants und Biergärten, die Konzerthallen und Museen, in die Berge und an die Strände. Sobald es wieder erlaubt und hinreichend sicher ist, werden sie sich nicht zurückhalten. Die aufgestaute Nachfrage dürfte sich in den kommenden Monaten immer mehr entladen. An Geld mangelt es nicht. Trotz vieler Härten im Einzelfall, gerade bei verhinderten Berufseinsteigern, Langzeitarbeitslosen und den arg gebeutelten Selbständigen, ist die Finanzlage der Haushalte in der westlichen Welt im Durchschnitt ausgesprochen gut. Da viele Haushalte in der Eurozone im vergangenen Jahr ihr Geld nicht für den gewohnten Urlaub und die üblichen Freizeitvergnügen ausgeben konnten, haben sie 2020 etwa 50 % mehr gespart als üblich. Würden sie diese Zusatzersparnis von 45 Milliarden Euro innerhalb eines Jahres ausgeben, würde dies ihrem privaten Verbrauch einen Schub von knapp 8 % geben. Ganz so wild wird es nicht kommen. Aber das Nachholpotenzial ist enorm.

 

Konjunktur bald auf Hochtouren

Auch die anderen Konjunkturzylinder könnten ab Sommer auf Hochtouren laufen. Der Außenhandel blüht, die Investitionsbereitschaft der Unternehmen steigt und die Staaten werden quer durch Europa ihre Investitionen und vermutlich auch ihre Ausgaben für die Gesundheitsvorsorge weiter steigern. Zudem bläst der Rückenwind durch Geld- und Fiskalpolitik stärker als je zuvor. Bereits im Herbst könnte Deutschland wieder das Niveau der Wirtschaftsleistung von Ende 2019, also der Zeit vor der Pandemie erreichen, die Eurozone insgesamt dürfte im Frühjahr 2022 folgen. Dank außerordentlicher Finanzspritzen, die das verfügbare Einkommen der US-Bürger im Pandemie-Jahr 2020 sogar nach Abzug der Inflation um 6 % angehoben haben, ist die USWirtschaft wohl bereits jetzt wieder auf dem Niveau der Zeit vor der Pandemie angekommen.

Auch über den reinen Wiederaufschwung nach dem in Friedenszeiten beispiellosen Schock der Pandemie hinaus sprechen gute Gründe für eine längere Phase höherer Wachstumsraten der Wirtschaftsleistung pro Kopf in der westlichen Welt und vielen Schwellenländern.

 

Krisen treiben Innovationen

Schocks zwingen uns, unsere Gewohnheiten auf den Prüfstand zu stellen und Neues auszuprobieren. Krisen können Treiber der Innovationen sein. Viele von uns mussten sich seit März 2020 im Homeoffice auf neue digitale Technologien umstellen, die wir vorher nur selten genutzt hatten. In den letzten zehn Jahren hat sich eine ungewöhnliche Kluft aufgetan zwischen den Unternehmen, die Spitzentechnologien einsetzen und solchen, die weit hinterherhinken. In der Krise haben die Spitzenreiter ihre Position offenbar weiter ausbauen können. Hierin steckt ein großes Potenzial für mehr Produktivität. Die Masse der Unternehmen, die bisher neue Technologien nicht hinreichend ausnutzt, wird unter Druck geraten. Entweder sie finden den Anschluss – oder sie verschwinden auf Dauer vom Markt. Beides erhöht die gesamtwirtschaftliche Produktivität.

Auch die zusätzlichen Schulden, die viele Unternehmen in der Pandemie aufnehmen mussten, wirken letztlich wie eine Produktivitätspeitsche. Die besten Unternehmen kommen entweder gut – also mit wenig Schulden – durch die Krise. Oder sie können die Schuldenlast dank ihres zukunftsfähigen Geschäftsmodells schnell wieder in den Griff bekommen. Die weniger guten werden sich bei Finanzierungskosten, die künftig schrittweise aber spürbar steigen werden, mehr anstrengen müssen, um nicht unterzugehen. Eine zeitlich gestreckte Pleitewelle in den kommenden Jahren, in denen auch staatliche Hilfen nicht mehr großzügig fließen werden, wird zum Produktivitätszuwachs beitragen.

 

Facharbeitermangel führt zu höheren Löhnen

Dazu kommt ein demographisches Argument. In Europa, Nordamerika und China gehen die geburtenstarken Jahrgänge im Verlauf der zwanziger Jahre in den Ruhestand. Wenn die Konjunktur sich vom Corona-Einbruch erholt hat, werden gute Arbeitskräfte von Jahr zu Jahr knapper und begehrter werden. Um dem Facharbeitermangel zu lindern und den daraus resultierenden Lohndruck abzufedern, werden Unternehmen verstärkt in neue und arbeitssparende Technologien investieren. Mit der höheren Produktivität steigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf. Da der demographische Wandel große Teile der Weltwirtschaft gleichzeitig betrifft, werden Unternehmen ihm nur sehr begrenzt durch den Wechsel in Niedriglohnländer ausweichen können. China ist schon heute nicht mehr billig und dürfte im Zeitablauf immer teurer werden. Indien ist zu schwerfällig, Afrika zu gespalten, um die bisherige Rolle Chinas als Billigwerkbank der Welt übernehmen zu können.

 

Höhere Löhne, weniger Unzufriedenheit?

Schnellere Lohnzuwächse bei Vollbeschäftigung können auf Dauer auch die politische Stimmung prägen. Sie werden helfen, die gefährliche Kluft zwischen höheren und niedrigeren Einkommen wieder etwas zu verringern und damit eine Quelle der Unzufriedenheit einzudämmen, die zum Aufstieg des Populismus beigetragen hat. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass die Geschichtsbücher dereinst den Sturm radikaler Trumpisten auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 als den traurigen Höhepunkt des Populismus beschreiben werden.

 

Große Herausforderungen

Die Aussicht auf goldene Zwanziger Jahre nach einem düsteren Start ins neue Jahrzehnt im Zeichen der Pandemie beschreibt eine Chance. Ob wir sie nutzen, entscheidet sich daran, ob wir in Deutschland, Europa und Nordamerika auf drei große Herausforderungen richtig reagieren: auf den massiven Anstieg der Staatsschulden, den Bedarf für mehr Daseinsvorsorge, den die Pandemie brutal offengelegt hat, und auf den Klimawandel.

Nach dem Schöpfen aus dem Vollen müssen wir die Staatsdefizite wieder ins Lot bringen und coronabedingte Mehrausgaben auf ein tragbares Maß eingrenzen. Aber eine harte Sparpolitik wäre falsch. Höhere Steuern und Sozialabgaben, die Arbeitnehmer und den Mittelstand belasten, wären Gift. Deutschland hat es mit einem Rückgang seiner staatlichen Schuldenquote von 82,5 % im Jahr 2010 auf knapp unter 60 % in 2019 bereits vorgemacht: Wachstum mit Vollbeschäftigung, letztlich das Ergebnis der Erfolgsagenda 2010, ist das einzig wirksame Rezept gegen hohe Staatsschulden.

 

Bessere Vorsorge gegen Risiken

Eine bessere Risiko- und Daseinsvorsorge wird Geld kosten. Unternehmen müssen ihre Lieferketten breiter aufstellen und ihre Lagerbestände an kritischen Zulieferteilen etwas ausbauen. Staaten müssen Reserven vorhalten, um für Krisen gerüstet zu sein. Feuerwehr und Polizei mussten schon immer so ausgestattet sein, dass sie im Normalfall nicht voll ausgelastet sind, um im seltenen Notfall schnell und kraftvoll TRENDS | 12. Mai 2021 3/4 eingreifen zu können. Dieses Prinzip muss im Schatten der Pandemie auch für die Gesundheitsfürsorge gelten. Damit wir uns das bei begrenztem Potenzial an Arbeitskräften leisten können, muss die öffentliche Verwaltung besser, digitaler und vernetzter werden. Dazu gehört auch ein Entschlacken von Vorschriften und Verfahren und ein Überprüfen einiger Regeln im Datenschutz, der neben dem zumeist vorrangigen Schutz der Privatsphäre jedes Einzelnen eben auch den wirksamen Schutz der Gemeinschaft ermöglichen muss.

 

Klimapolitik mit den richtigen Instrumenten

Das klimaschonende Umsteuern unserer Wirtschaft und unseres eigenen Verhaltens ist für sich genommen gut für uns alle und neutral für unser Wachstum. Den Belastungen durch den gebotenen Ausstieg aus C02 Emissionen stehen Chancen auf neuen Geschäftsfeldern gegenüber, die vor allem jene nutzen können, die sie früh erkennen. Aber damit der Wandel uns nicht belastet, müssen wir dafür die richtigen Anreize setzen und ihn mit klaren und verlässlichen Vorgaben und vor allem mit marktwirtschaftlichen Instrumenten durchsetzen.

Die deutsche Energiewende mit ihren vielen Einzeleingriffen und Ausnahmen sowie gelegentlich abrupten Kehrtwenden zeitigt bei uns zwar durchaus beachtliche Ergebnisse. Nur leider ist sie viel zu teuer. Ärmere Länder könnten sich derart hohe Strompreise und Subventionen nicht einmal ansatzweise leisten. Eine umfassende und vorhersehbar steigende Bepreisung des Schadstoffausstoßes ohne Ausnahmen gekoppelt mit einer Grenzausgleichsabgabe auf Ebene der EU – oder im Idealfall gemeinsam mit den USA, Japan und anderen Partnern – würde dagegen wirksam den Belastung verringern und gleichzeitig eine reine Verlagerung dreckiger Produktionen ins Ausland verhindern.

 

Wir müssen die Weichen richtig stellen

Im vergangenen Jahrhundert endeten die wilden Zwanziger Jahre in einer wirtschaftlichen Katastrophe, der eine noch größere politische Katastrophe folgte. Dies sollte uns heute eine Warnung sein, vor allem vor den Gefahren einer falschen Wirtschaftspolitik, einer gesellschaftlichen Spaltung und des Populismus.

Wir sind heute im Vorteil. Wir wissen mehr darüber, wie man Wirtschaftskrisen wirksam bekämpfen kann. Nach der Finanzkrise von 2008/2009 und in der Pandemie haben wir das gezeigt. Sowohl eine Hyperinflation als auch eine neue Große Depression sind heute unwahrscheinlich. Auch wissen wir weit mehr über die Gefahren des Populismus als früher. Deshalb gibt es gute Chancen, dass die Zwanziger Jahre in diesem Jahrhundert tatsächlich golden werden können. Aber eben nur, wenn wir die Weichen richtig stellen.

Eine kürzere Fassung dieses Artikels erschien am 11. Mai 2021 im Handelsblatt.

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von Dr. Holger Schmieding

Ein dramatischer Schock – eine beherzte Reaktion der Politik
Europa ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation zum neuen Epizentrum der Corona-Pandemie geworden. In China ist die Zahl der aktuell infizierten Menschen von 58.000 am 18. Februar auf 15.000 am 12. März zurückgegangen. Dagegen hat sich die Gesamtzahl der bestätigten Infektionen in Europa innerhalb von drei Tagen auf 46.000 am 15. März verdoppelt. Von einem geringeren Niveau aus stieg die Zahl in den USA in dieser Zeit um 2.000 auf 3.000.1

Um das weitere Ausbreiten des Virus zumindest zu verlangsamen, haben viele Länder binnen weniger Tage um- fangreiche Grenzkontrollen eingeführt sowie die Bewegungsfreiheit ihrer Bürger und das öffentliche Leben erheblich eingeschränkt. Dazu gehören unter anderem Italien, Spanien und Österreich, in derzeit noch etwas geringerem Umfang auch Deutschland, Frankreich, die Schweiz und die USA, um nur einige zu nennen. Viele Länder dürften in den kommenden Tagen und Wochen folgen und/oder ihre Maßnahmen weiter verschärfen.

Ein Schock für Angebot und Nachfrage
Diese Eingriffe treffen die Wirtschaft hart. Sie schränken sowohl das Angebot als auch die Nachfrage ein. Während sie in voller Schärfe in Kraft sind, dürfte die Wirtschaftsleistung stärker zurückgehen als in der großen Finanzkrise im Herbst und Winter 2008/2009. Wenn diese Einschränkungen später einmal schrittweise gelockert werden, kann ein erheblicher Teil der wirtschaftlichen Aktivität sich wieder rasch erholen, auch wenn das Niveau der Zeit vor der Coronakrise vorerst nicht mehr erreicht werden dürfte. Insgesamt kann die Rezession im Gesamtjahr 2020 damit weniger scharf ausfallen, als es die vermutlich grottenschlechten Daten nahelegen könnten, auf die wir uns zunächst einmal für die Monate März und April einstellen müssen. Angesichts der jüngsten Nachrichten zur fortschreitenden Pandemie und den Gegenmaßnahmen der Politik erwarten wir für das Gesamtjahr 2020 jetzt einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 3,2% in Deutschland, um 3,5% in der Eurozone und um 2,3% in den USA. Die Abwärtsrisiken bleiben sehr ausgeprägt, da der Fortgang der Pandemie nicht absehbar ist.

Besser hart als spät eingreifen
Nach Meinung der Fachleute können die harten Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und des öffentlichen Lebens wesentlich dazu beitragen, das Ausbreiten des Virus zu verlangsamen und so Leben zu retten. Jeder Zeitgewinn kann dem Gesundheitssystem helfen, mit der Pandemie umzugehen. Die Forschung bekommt mehr Zeit, nach Gegenmitteln zu suchen. Auch wenn die anfänglichen Kosten für die Wirtschaft hoch sind, kann auf diese Art vermutlich auch der wirtschaftliche Gesamtschaden gemindert werden.

Einzelne Sektoren der Wirtschaft werden in sehr unterschiedlichem Maße betroffen. Das Reise-, Tourismus- und Unterhaltungsgewerbe leidet besonders. In der Industrie und vor allem im Bausektor dürfte der Schaden zwar ebenfalls groß, aber nicht ganz so immens sein. Die Sorge, dass zeitweilig unterbrochene Lieferketten die Produktion einschränken könnten, ist weiterhin berechtigt. Aber seit das Sars-Cov-2 Virus in Europa angekommen ist, fallen die Folgen für andere Sektoren noch mehr ins Gewicht. In einigen Bereichen wie dem Online-Handel, dem Gesundheitswesen und Teilen der Pharmaindustrie dürfte dagegen die Nachfrage spürbar steigen.

Alles was nötig ist – die Politik reagiert
Wohl noch nie haben die Geld- und Fiskalpolitik sowie die Aufsichtsbehörden auf beiden Seiten des Atlantiks so rasch und umfangreich auf einen Schock reagiert wie in den vergangenen Tagen. Wir erwarten weitere beherzte Schritte.

Allerdings kann die Wirtschaftspolitik nichts gegen das Virus ausrichten. Die Pandemie trifft direkt die Realwirtschaft. Dies unterscheidet sie von der großen Finanzkrise  2008/2009 und der Eurokrise 2011/2012, die im Wesentlichen vom Finanzsektor selbst ausgingen und deshalb mit dem Einsatz finanzieller Mittel der Notenbanken gestoppt werden konnten. Die Lage an den Märkten dürfte sehr unruhig bleiben, bis sich der weitere Verlauf der Pandemie zumindest etwas besser einschätzen lässt, als dies derzeit der Fall ist.

Die teils panikartige Reaktion an einigen Finanzmärkten könnte im Extremfall eine echte Finanzkrise auslösen, die dann wiederum die Rezession verschärfen würde. Dieses Risiko können Notenbanken, Finanzminister und Aufsichtsbehörden allerdings durch einen beherzten Einsatz ihrer Mittel eingrenzen. Ihr bisheriges Verhalten zeigt, dass sie sich dessen bewusst sind. Sie sind offenbar bereit, alles Ihnen Mögliche zu tun, um solche Zweitrundeneffekte zu verhindern.

Zur Lage an den Aktienmärkten
Die außergewöhnliche Unsicherheit und das sich manchmal selbst verstärkende Verhalten der Anleger können den Kurseinbruch an den Aktienmärkten erklären. Vorerst sind angesichts dieser Umstände die Risiken weiter spürbar nach unten gerichtet. Aber das heißt nicht, dass dieser Ausverkauf letztlich wirklich angemessen bzw. nachhaltig ist. Wir halten es für unwahrscheinlich, dass nach einem späteren Abflauen der Krise der Wert der privaten Produktionskapazitäten und Geschäftsmodelle in der westlichen Welt, ausgedrückt in Aktienkursen, tatsächlich um 20% oder 30% geringer sein sollte, als es ohne die Pandemie der Fall gewesen wäre. Auch wenn in einigen Fällen staatliche Kapitalspritzen die Anteile der jetzigen Aktionäre am gesamten Eigenkapital etwas verwässern könnten, dürften solche Bewertungen auf Dauer fundamental nicht gerechtfertigt sein. Allerdings könnte es einige Zeit dauern, bis die verständlicherweise hochgradig nervösen Märkte sich wieder an langfristig-fundamentalen Überlegungen ausrichten.

Höhere Staatschulden – niedrigere Zinsen
Die umfangreichen Eingriffe der Geld- und Fiskalpolitik, um die wirtschaftlichen Schäden einzugrenzen, dürften dazu führen, dass ein erheblicher Teil der Kosten der Pandemie sich letztlich in höheren Staatsschulden ausdrücken wird, die teilweise von den jeweiligen Zentralbanken gehalten werden. Da nach der Rezession die Zinsen noch für längere Zeit außerordentlich niedrig bleiben dürften, können nahezu alle Staaten diese zusätzliche Schuldenlast vermutlich schultern. In diesem Sinne dürfte die westliche Welt in den kommenden Jahren Japan etwas ähnlicher werden.

Selbst für Länder wie Italien dürfte bei sehr niedrigen Finanzierungskosten ein gewisser Anstieg der Staatsschulden vorerst verkraftbar sein. Langfristig bleibt Italien aber ein Kandidat für eine mögliche Schuldenkrise, sofern es nicht in den kommenden Jahren seine Wirtschaftskraft durch heimische Reformen stärkt. Die höheren Staatschulden sind eine Bürde. Dank der Haushaltsüberschüsse, die Deutschland in seinem jetzt beendeten „goldenen Jahrzehnt“ erarbeitet hat, kann gerade Deutschland sich diese Last besser leisten als nahezu alle anderen Länder. Wie sich herausstellt, hat Deutschland mit seiner Finanzpolitik in den letzten Jahren für einen Notfall vorgesorgt.

Politische Folgen
Ein so einschneidendes Ereignis wie die Pandemie samt ihrer Folgen für die Wirtschaft wird auch politische Entwicklungen prägen. Auf welche Art dies dauerhaft der Fall sein dürfte, ist noch nicht abzusehen. Verantwortungsvollen Politikern, die sich als Krisenmanager bewähren, könnte es gelingen, radikale Kräfte wieder etwas zurückzudrängen. Wer dagegen nicht hinreichend auf die Krise und ihre Folgen reagiert, könnte das Gegenteil erleben. Bisher scheint die Krise die Koalitionsregierungen in Italien und Deutschland zu stabilisieren. Selbst Belgien bekommt offenbar für eine Übergangszeit von sechs Monaten eine handlungsfähige Regierung.

In den USA bleibt Donald Trump zwar der Favorit für die Wahl am 3. November. Allerdings ist sein Vorsprung gering geworden. Laut electionbettingodds.com liegt die Wahrscheinlichkeit seiner Wiederwahl aktuell bei 46,2%, nachdem sie vor zwei Wochen noch etwa 57% betragen hatte. Sein vermutlicher Herausforderer Joe Biden ist gemäß der Wetten, die auf electionbettingodds.com platziert werden, mittlerweile auf 45,3%. Solche Wahrscheinlichkeiten ändern sich allerdings rasch mit der jeweiligen Nachrichtenlage und geben noch keine verlässliche Auskunft über das zu erwartende Ergebnis am 3. November.

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